BSG: keine Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag mit Abfindung

Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt (BSG) hat in sei­nem Urteil vom 02.05.2012, B 11 AL 6/11 R, über die Fra­ge ent­schie­den, ob der Auf­he­bungs­ver­trag immer wie eine Kün­di­gung durch den Arbeit­neh­mer zu hand­ha­ben ist und somit eine Sperr­zeit beim Arbeits­lo­sen­geld begrün­det oder ob es davon auch Aus­nah­men gibt.

Zur Erläu­te­rung: Wenn Sie als Arbeit­neh­mer, ihr Arbeits­ver­hält­nis kün­di­gen, ohne dafür einen wich­ti­gen Grund zu haben, bekom­men Sie eine Sperr­zeit. Das bedeu­tet, dass sie bis zu drei Mona­ten nach Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses kei­nen Anspruch auf Arbeits­lo­sen­geld haben. In der Regel wird wegen der Kün­di­gung auch die Bezugs­dau­er des Arbeits­lo­sen­gel­des noch um eini­ge Mona­te gekürzt.

Glei­ches gilt grund­sätz­lich auch wenn das Beschäf­ti­gungs­en­de duch Abschluss eines Auf­he­bungs­ver­tra­ges her­bei­ge­führt wird. Bei einem Auf­he­bungs­ver­trag eini­gen Sie sich mit dem Arbeit­ge­ber dar­auf, dass das Arbeits­ver­hält­nis ein­ver­nehm­lich been­det wird. Oft wird dabei eine Abfin­dung zu Guns­ten des Arbeit­neh­mers vereinbart.

Eine Sperr­zeit wegen Arbeits­auf­ga­be kommt aller­dings dann nicht in Betracht, wenn Sie als Arbeit­neh­mer einen wich­ti­gen Grund für den Abschluss des Auf­he­bungs­ver­tra­ges hat­ten. Ein wich­ti­ger Grund für den Abschluss eines Auf­he­bungs­ver­tra­ges liegt vor, wenn Ihnen ohne­hin mit einer betriebs­be­ding­ten Kün­di­gung durch den Arbeit­ge­ber gedroht wur­de. Auch die Ver­ein­ba­rung einer Abfin­dung steht dem nicht ent­ge­gen. Das BSG hat nun ent­schie­den, dass Arbeit­neh­mer sogar ein berech­tig­tes Inter­es­se dar­an haben, sich eine – im Rah­men des § 1 a Abs. 2 Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) lie­gen­de – Abfin­dung zu sichern, wenn er sich einer unver­meid­ba­ren Beschäf­ti­gungs­lo­sig­keit aus­ge­setzt sieht.

Der Sach­ver­halt: Kon­kret stritt sich in dem vom BSG zu ent­schei­den­den Fall eine Arbeit­neh­me­rin mit der Bun­des­agen­tur für Arbeit. Die Arbeit­neh­me­rin war seit 1966 als Sach­be­ar­bei­te­rin bei ihrem Arbeit­ge­ber beschäf­tigt. Im Mai 2004 wur­de ein Auf­he­bungs­ver­trag geschlos­sen, nach dem das Arbeits­ver­hält­nis am 30.11.2005 enden soll­te. Grund für den Auf­he­bungs­ver­trag waren betrieb­li­che Grün­de. Es wur­de eine Abfin­dung in Höhe von 47.000 € ver­ein­bart. Der Arbeit­ge­ber teil­te der Arbeit­neh­me­rin außer­dem mit, sie wer­de ordent­lich betriebs­be­dingt gekün­digt, wenn sie den Auf­he­bungs­ver­trag nicht unter­schrei­ben wür­de. Als die Klä­ge­rin sich arbeits­los mel­de­te und Arbeits­lo­sen­geld bean­trag­te, wur­de ihr mit­ge­teilt, dass sie auf­grund des Auf­he­bungs­ver­trags zunächst eine Sperr­zeit bekommt und dass ihr Anspruch auf Arbeits­lo­sen­geld dann noch um 240 Tage gekürzt wird. Zur Begrün­dung wur­de ange­führt, die Arbeit­neh­me­rin habe vor­aus­se­hen müs­sen, infol­ge des Auf­he­bungs­ver­trags arbeits­los zu wer­den. Außer­dem habe sie kei­nen wich­ti­gen Grund gehabt, die­sen Ver­trag zu unterschreiben.

Die Ent­schei­dung: Das BSG hat ent­schie­den, dass ein wich­ti­ger Grund für die Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses vor­liegt. Zwar hat die Arbeit­neh­me­rin ihre Arbeits­lo­sig­keit durch den Auf­he­bungs­ver­trag grob fahr­läs­sig her­bei­ge­führt, weil sie auch kei­ne kon­kre­te Aus­sicht auf einen Anschluss­ar­beits­platz hat­te. Ande­rer­seits hat­te sie für ihr Ver­hal­ten einen wich­ti­gen Grund, weil ihr ohne­hin eine recht­mä­ßi­ge betriebs­be­ding­te Kün­di­gung durch den Arbeit­ge­ber gedroht hätte.

Das Gericht hat nicht geprüft, ob die Arbeit­ge­ber­kün­di­gung auch recht­mä­ßig gewe­sen wäre, das heißt, ob betrieb­li­che Grün­de vor­la­gen und ob der Arbeit­ge­ber die Sozi­al­aus­wahl durch­ge­führt hat­te. Das BSG stell­te fest, dass die Prü­fung der Recht­mä­ßig­keit einer Kün­di­gung nur durch­ge­führt wer­den muss, wenn Hin­wei­se gege­ben sind, dass die Kün­di­gung rechts­wid­rig sein könn­te. Anzei­chen dafür kön­nen eine deut­lich über dem gesetz­li­chen Rah­men (§ 1 a Abs. 2 KSchG) lie­gen­de Abfin­dung sein oder dass eine Wei­ter­be­schäf­ti­gungs­mög­lich­keit besteht oder dass die gel­ten­de Kün­di­gungs­frist nicht ein­ge­hal­ten wird. Bei der Arbeit­neh­me­rin im vor­lie­gen­den Fall lag kei­nes der auf­ge­führ­ten Anzei­chen vor. Daher unter­liegt sie kei­ner Sperr­zeit und bekommt Arbeits­lo­sen­geld in vol­ler Höhe.

Unse­re Emp­feh­lung: Um beim Abschluss eines Auf­he­bungs­ver­trags nicht Gefahr zu lau­fen, eine Sperr­zeit auf­er­legt zu bekom­men, soll­te Fol­gen­des beach­tet werden:[list type=“check“]

  • Der Arbeit­ge­ber muss bereits ange­droht haben, eine Kün­di­gung aus betrieb­li­chen Grün­den auszusprechen.
  • Das Arbeits­ver­hält­nis darf durch den Auf­he­bungs­ver­trag nicht vor dem Zeit­punkt enden, bevor die Kün­di­gung durch den Arbeit­ge­ber wirk­sam gewor­den wäre. Die Kün­di­gungs­frist muss also ein­ge­hal­ten werden.
  • Die Höhe der Abfin­dung muss sich an den gesetz­li­chen Vor­ga­ben ori­en­tie­ren (d.h. nicht deut­lich höher als 0,5  Monats­ge­häl­ter für jedes Jahr des Arbeits­ver­hält­nis­ses, aber auch nicht nied­ri­ger als 0,25 Monatsgehälter).

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