Sozialversicherungsstatus von freien Mitarbeitern in Heilmittelpraxen
Heilmittelpraxen, die Heilmittelleistungen über die Krankenkassen abrechnen, sollten keine freien Mitarbeiter auf Honorarbasis beschäftigen.
Nach einem aktuellen Urteil des Bayrischen Landessozialgerichts befinden sich Physiotherapeuten, die regelmäßig in einer fremden Praxis tätig sind, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Das Gericht sieht als Begründung für sein Urteil die „Letztentscheidungsbefugnis“ ausschließlich beim jeweiligen Praxisbetreiber.
Was bedeutet diese Entscheidung nun für Inhaber von Heilmittelpraxen? Damit gemeint sind alle Inhaber von Praxen für Physiotherapie, Podologie, Logopädie und Ergotherapie. Ihnen ist nach dem vorliegenden Urteil nicht zu empfehlen, freie Mitarbeiter als Selbstständige oder Honorarkräfte zu beschäftigen. Im aktuellen Fall müssen die Praxisinhaber mehr als 46.000 Euro an die Sozialversicherung nachzahlen.
Bei seiner Entscheidung war für das Gericht ausschlaggebend, dass die Praxisbetreiber die Heilmittel direkt mit der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse abrechneten und das wirtschaftliche Risiko des Praxisbetriebs trugen. Hinzu kam, dass die freien Mitarbeiter auf der Website der Praxis als Team-Mitglieder präsentiert wurden. Der dort zu findende Hinweis auf ihren eigenständigen Status wurde vernachlässigt.
Der überwiegende Teil der von den „Freien“ behandelten Patienten war gesetzlich krankenversichert, Privatpatienten bildeten die Minderheit. Damit liegt rechtlich die Verantwortung und die so genannte „Letztentscheidung“ gegenüber den Krankenkassen bei den Praxisbetreibern.
Wichtig war, dass die vermeintlich freien Physiotherapeuten für das Erbringen ihrer Leistungen ausschließlich die von den Betreibern zur Verfügung gestellten Praxisräume nutzten. Therapieart und Dauer waren vorgegeben, die Physiotherapeuten persönlich in den Ablauf eingebunden.
Es fiel nicht ins Gewicht, dass die betreffenden Physiotherapeuten auch für andere Praxen arbeiteten, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung besaßen, keinen Anspruch auf Urlaub oder Krankengeld hatten und eigene Therapiemittel verwendeten.
Inhabern, die freie Mitarbeiter beschäftigen, ist vor diesem Hintergrund dringend eine fachanwaltliche Beratung zu empfehlen. Bei einem unklaren Beschäftigungsstatus droht nämlich die Gefahr, die vollen Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) nachzahlen zu müssen. Außerdem erfüllt die Nichtabführung von Sozialversicherungsabgaben in der Regel den Straftatbestand des Sozialleistungsbetruges nach § 263 Strafgesetzbuch (StGB).
Gemeinsam mit einem Fachanwalt sollten daher bestehende Honorarverträge geprüft werden. Gegebenenfalls bietet sich ein Statusfeststellungsverfahren an, das den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Beschäftigungsverhältnisses rechtssicher klären soll. Das Risiko einer späteren Nachzahlung von Beiträgen und eine etwaige Strafbarkeit können so verhindert werden.