EuGH stärkt Arbeitnehmerrechte chronisch Kranker
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat die Rechte lang kranker Arbeitnehmer gestärkt. Nach einem am Donnerstag, 11. April 2013, verkündeten Grundsatzurteil können sie wie behinderte Arbeitnehmer einen besonderen Kündigungsschutz genießen oder entsprechende Hilfen beanspruchen (C-335/11 und C-337/11).
Dabei sei auch die UN-Behindertenkonvention mit in den Blick zu nehmen. Arbeitgebersorgen nach einem früheren Urteil aus 2006, krankheitsbedingte Kündigungen könnten gänzlich unmöglich werden, sind mit dem neuen Urteil aber vom Tisch.
In den neuen Fällen geht es um zwei Arbeitnehmerinnen in Dänemark. Die eine war wegen eines Schleudertraumas lang andauernd krank, die andere leidet unter chronischen Rückenschmerzen. Beide waren nach dänischem Recht mit verkürzter Frist entlassen worden, weil sie innerhalb von zwölf Monaten mehr als 120 Arbeitstage gefehlt hatten.
Nach EU-Recht und inzwischen auch nach deutschem Recht dürfen Behinderte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Mit Urteil vom 11. Juli 2006 hatte der EuGH entschieden, dass eine Behinderung eine Beeinträchtigung ist, die die Teilhabe am Erwerbsleben „über einen langen Zeitraum“ einschränkt (Az.: C-13/05).
In seinem neuen Urteil bekräftigt nun der EuGH, dass dies auch physische, geistige oder psychische Krankheiten umfasst, wenn diese zu „Einschränkungen von langer Dauer“ führen. Die – gegebenenfalls krankheitsbedingte – Behinderung müsse nicht zu einem völligen Ausschluss vom Erwerbsleben führen. Auch spiele es keine Rolle, ob die Betroffenen auf bestimmte Hilfsmittel angewiesen sind.
Fehltage, die auf eine so definierte Behinderung zurückgehen, dürften nicht zu einer Benachteiligung bei Kündigungen führen, urteilte der EuGH – etwa wie in Dänemark zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist.
Auch deutsches Recht lässt eine krankheitsbedingte Kündigung zu. Allerdings gibt es hierfür keine verkürzte Kündigungsfrist und es gibt auch keine feste Grenze bei den Fehltagen. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall abzuwägen, ob die Fehlzeiten dem Arbeitgeber noch zumutbar sind.
Nach dem EuGH-Urteil von 2006 hatten in Deutschland zahlreiche Arbeitgeber befürchtet, krankheitsbedingte Kündigungen könnten gänzlich unmöglich werden. Nach dem neuen Urteil bleiben sie zulässig. Sie werden aber erschwert, soweit Fehltage auf eine chronische oder dauerhafte Erkrankung zurückgehen. Als Konsequenz des Luxemburger Urteils müssen Arbeitgeber wohl auch diesen Arbeitnehmern die nach deutschem Recht für Behinderte vorgesehenen Hilfen anbieten, etwa eine Arbeitszeitverkürzung oder das „Betriebliche Eingliederungsmanagement“.
Zur Begründung verwies der EuGH auch auf die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen. Diese wurde 2009 auch von der EU ratifiziert. Daher sei das europäische Recht „nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen“, betonten die Luxemburger Richter.
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