Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen
Aufgabe des Schwerbehindertenrechts ist es, eine möglichst gleichberechtigte Teilnahme von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft zu fördern. Behinderungsbedingte Benachteiligungen sollen abgemildert oder ganz vermieden werden. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber den Begriff Schwerbehinderung definiert und stellt in den Fällen des Vorliegens einer Schwerbehinderung vielfältige Ausgleichsleistungen zur Verfügung. Abhängig von festgestellten Grad der Behinderung (GdB) ergeben sich Ausgleichsansprüche, die für die Betroffenen nicht selten einen erheblichen Wert darstellen können.
- Der Begriff der Schwerbehinderung
- Merkzeichen
- Nachteilsausgleiche (GdB)
- Was wir für Sie tun können
Was versteht man unter (Schwer-)Behinderung?
Nach § 2 des 9. Sozialgesetzbuchs (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.Schwerbehindert sind Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Einem Schwerbehinderten gleichgestellt kann ein Behinderter werden, wenn ein geringerer GdB als 50, aber wenigstens 30 festgestellt ist und ohne die Gleichstellung ein geeigneter Arbeitsplatz nicht erlangt oder nicht behalten werden kann. Die Gleichstellung bezieht sich dabei im Wesentlichen auf den Kündigungsschutz.
Wer stellt das Vorliegen und den Grad der Behinderung fest?
Zuständig für die Feststellung des Grades der Behinderung ist das für den Wohnort des Antragstellers zuständige Versorgungsamt bzw. Amt für soziale Angelegenheiten. Hier finden Sie eine Ortsverzeichnis zur Ermittlung des für Sie zuständigen Versorgungsamtes. Auf den Internetseiten der jeweiligen Versorgungsämter können die Antragsformulare angefordert oder heruntergeladen werden.
Wonach bestimmt sich der Grad der Behinderung?
Bewertet wird die Funktionsbeeinträchtigung des Behinderten im Vergleich zu einem etwa gleichaltrigen, nicht beeinträchtigten Menschen. Dabei ist nicht die bloße Existenz einer Gesundheitsstörung, z. B. einer Herz- oder Wirbelsäulenerkrankung, entscheidend, sondern vielmehr die dadurch verursachten konkreten Funktionsbehinderungen. Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, wird ein Gesamtgrad der Behinderung (Gesamt-GdB) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit bewertet. Hierbei dürfen die einzelnen Behinderungsgrade allerdings nicht addiert werden. Eine Schwerbehinderung (GdB von mindestens 50) ist nur festzustellen, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Behinderungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines. Kriterien für die Ermittlung des jeweiligen GdB bei den verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 (vorher: Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, AHP 2008) auf.
Neben dem Grad der Behinderung stellt das Versorgungsamt auch fest, ob und welche der folgenden Merkzeichen in Folge der Behinderung vorliegen. Die Merkzeichen werden im Schwerbehindertenausweis eingetragen und kennzeichnen die Art der Behinderung und die damit verbundenen Leistungen und Vergünstigungen.
G - Gehbehindert
Das Merkzeichen erhalten Personen mit erheblicher Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr bzw. erheblicher Geh- und/oder Stehbehinderung. Dies ist z. B. anzunehmen bei Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder Lendenwirbelsäule bei einem Grad der Behinderung (GdB) von ab 50 oder besonderen Auswirkungen auf die Gehfähigkeit bei einem GdB ab 40, bei schweren inneren Leiden (z. B. schweren Herz-, Lungen- oder Nierenschäden), Hirnorganischen Anfällen mit mindestens mittlerer Anfallshäufigkeit, Diabetis mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks oder Störungen der Orientierungsfähigkeit infolge Seh- oder geistiger Behinderungen mit einem GdB von mindestens 80 oder 90.
Das Merkzeichen „G“ ist Voraussetzung für steuerliche Vergünstigungen, Kraftfahrzeughilfe, Ermäßigungen bei Automobilclubs und Kfz-Steuer, für die Inanspruchnahme von Fahrdiensten, dem öffentlichen Nahverkehr sowie Mehrbedarfszuschlägen.
Gl - Gehörlos
Das Merkzeichen wir bei Gehörlosigkeit und an Gehörlosigkeit grenzender Schwerhörigkeit mit schwerer Sprachstörung vergeben. Wenn dieses Merkzeichen gegeben ist, haben Sie u. a. Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im ÖPNV, Ermäßigungen bei Kfz-Steuer, Telefongebühren und Rundfunk- und Fernsehgebühren.
B - Unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson
Das Merkzeichen erhalten Menschen mit Schwerbehinderung, die eine ständige Begleitperson bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel benötigen, um behinderungsbedingte Gefahren für sich oder andere zu vermeiden. Die Begleitperson wird in diesen Fällen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie im Flugverkehr unentgeltlich befördert.
H - Hilflos
Das Merkzeichen kennzeichnet „Hilflosigkeit“. Die betroffene Person benötigt dauerhaft und in erheblichem Umfang fremde Hilfe für alle gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens (z. B. An- und Auskleiden, Nahrungsaufnahme, Körperpflege u. s. w.). Das Merkzeichen wird immer erteilt, wenn das Merkzeichen „Bl“ oder „aG“ festgestellt wurde. Weiterhin wird das Merkzeichen bei Hirnschäden, Anfallsleiden, geistigen Behinderungen oder Psychosen mit einem GdB von 1oo sowie bei dem Verlust von zwei oder mehr Gliedmaßen festgestellt. Bei Kindern ist nur der Hilfebedarf zu Berücksichtigen, der den Hilfebedarf eines gleichaltrigen, gesunden Kindes überschreitet. Wegen der Besonderheiten des Kindesalters kann im Einzelfall allerdings auch schon bei einem geringen GdB Hilflosigkeit vorliegen.
Wenn dieses Merkzeichen gegeben ist, besteht u. a. Anspruch auf steuerliche Vergünstigungen, Kfz-Hilfe, Ermäßigungen bei Kfz-Steuer, Fahrdiensten, ÖPNV, Anspruch auf Pflegegeld und Wohnberechtigungsschein.
aG - außergewöhnlich gehbehindert
Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liegt dann vor, wenn das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt und die Fortbewegung nur mit fremder Hilfe oder großer Anstrengung möglich ist. Das ist in der Regel z. B. bei Querschnittsgelähmten, Doppelober- oder Doppelunterschenkelamputierten, Personen die ständig auf einen Rollstuhl angewiesen sind oder unter schweren Erkrankungen der inneren Organe wie Herzschäden mit schweren Dekompressionserscheinungen oder Ruheinsuffizienz oder schweren Einschränkungen der Lungenfunktion leiden.
Das Merkzeichen „aG“ ist Voraussetzung für steuerliche Vergünstigungen, Kraftfahrzeughilfe, Ermäßigungen bei Automobilclubs und Kfz-Steuer, für die Inanspruchnahme von Fahrdiensten, dem öffentlichen Nahverkehr sowie Parkerleichterungen.
RF - Rundfunkgebührenbefreiung
Das Merkzeichen erhalten Blinde oder erheblich Sehbehinderte (ab GdB von 60), Hörgeschädigte, bei denen eine ausreichende Verständigung auch nicht mittels Hörhilfen möglich ist oder Menschen mit Behinderungen (ab GdB von 80), die aufgrund ihrer Behinderung nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können (u. a. Organtransplantierte, die jegliche Ansteckungsgefahr meiden müssen oder Menschen mit dauerhaft ansteckender Lungentuberkulose).
Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit diesem Merkzeichen können einen Anspruch auf Befreiung von Rundfunk- und Fernsehgebühren sowie auf Ermäßigung bei Telefongebühren haben.
Bl - Blind
Das Merkzeichen erhalten blinde oder erheblich sehbehinderte Menschen. Eine erhebliche Sehbehinderung wird u. a. angenommen bei nicht mehr als 1/5 verbliebener Sehschärfe auf dem besseren Auge oder anderen Störungen des Sehvermögens, die dieser Sehschärfe entsprechen.
Bei Vorliegen dieses Merkzeichens, besteht u. a. Anspruch auf steuerliche Vergünstigungen, Blindengeld, Kfz-Hilfe, Ermäßigungen bei Kfz-Steuer, Automobilclub, Fahrdiensten, ÖPNV sowie Anspruch auf Parkerleichterungen, Rundfunk- und Fernsehgebührenbefreiung oder Telefon- und Portogebührenermäßigung.
Wählen Sie bitte Ihren Grad der Behinderung (GdB) aus, Sie erhalten dann eine Kurzübersicht über die wichtigsten Ihnen zustehenden Rechte und Nachteilsausgleiche. Jeder GdB schließt grundsätzlich die mit niedrigerem GdB verbundenen Rechte und Nachteilsausgleiche ein.
GdB = 30
- Steuerfreibetrag 310 €
- Gleichstellung mit Schwerbehinderten möglich
- Kündigungsschutz und andere arbeitsrechtliche Vorteile bei Gleichstellung
- Hilfe im Arbeitsleben durch Integrationsfachdienste
GdB = 40
- Steuerfreibetrag 430 €
GdB = 50
- Schwerbehinderteneigenschaft
- Steuerfreibetrag 570 €
- Bevorzugte Einstellung, Beschäftigung
- Kündigungsschutz
- begleitende Hilfe im Arbeitsleben
- Freistellung von Mehrarbeit
- Zusatzurlaub von einer Arbeitswoche
- Schutz bei Wohnungskündigung
- Vorgezogene Pensionierung Beamter mit 60
- vorgezogene Altersrente für Schwerbehinderte nach § 236a SGB VI
- Sonderregelungen für Lehrer nach § 8 bay. Lehrerdienstordnung
- Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für Behinderte in Werkstätten
- Besondere Fürsorge im öffentlichen Dienst
- Abzugsbetrag bei Beschäftigung einer Haushaltshilfe: 924 €
- Abzug eines Freibetrages bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei Pflegebedürftigkeit: 2.100 €
- Freibetrag beim Wohngeld bei Pflegebedürftigkeit i. S. d. § 14 SGB XI: 1.200 €
- Ermäßigung bei Kurtaxe (je nach Ortssatzung)
GdB = 60
- Steuerfreibetrag 720 €
- Reduzierung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung auf 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen
GdB = 70
- Steuerfreibetrag 890 €
- Ansatz der tatsächlichen Kosten oder 0,30 €/km für Fahrten zur Arbeitsstätte mit dem Kfz als Werbungskosten
- Abzugsbetrag für Privatfahrten bei Merkzeichen G: bis zu 3.000 km x 0,30 € = 900 €
- Erwerb der Bahn Card 50 zum halben Preis
GdB = 80
- Steuerfreibetrag 1.060 €
- Abzugsbetrag für Privatfahrten: bis zu 3.000 km x 0,30 € = 900 €
- Freibetrag beim Wohngeld bei Pflegebedürftigkeit i. S. d. § 14 SGB XI: 1.500 €
- Abzug eines Freibetrages bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei Pflegebedürftigkeit i. S. d. § 14 SGB XI: 4.500 €
GdB = 90
- Steuerfreibetrag 1.230 €
- Freibetrag beim Wohngeld bei Pflegebedürftigkeit i. S. d. § 14 SGB XI: 1.500 €
GdB = 100
- Steuerfreibetrag 1.420 €
- Freibetrag beim Wohngeld: 1.500 €
- Abzug eines Freibetrages bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung : 4.500 €
- Freibetrag bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer in bestimmten Fällen
- Vorzeitige Verfügung über Bausparkassen- bzw. Sparbeträge nach dem Wohnungsbauprämiengesetz bzw. Vermögensbildungsgesetz
Unser erfahrenes Kanzleiteam arbeitet bundesweit und bietet Ihnen in jeder Lage umfassende, unkomplizierte und fachanwaltlich fundierte Information und Beratung über Ihre Rechte. Wir zeigen Ihnen die Möglichkeiten auf, zustehende Leistungen zu erhalten.
Unterstützung im Antragsverfahren
Wir unterstützen Sie im Antragsverfahren bei der Anerkennung Ihrer Behinderung sowie etwaiger Merkzeichen durch das zuständige Versorgungsamt und setzen einen möglichst hohen Grad der Behinderung (GdB) für Sie durch.
Vertretung im Widerspruchsverfahren
Falls ein zu niedriger Grad der Behinderung (GdB) festgestellt wurde, vertreten wir Sie kompetent im Widerspruchsverfahren, von der Einlegung des Widerspruchs über die Einholung und Auswertung von medizinischen Befundberichten und Gutachten bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides.
Vertretung vor den Sozialgerichten in allen Instanzen
Unsere langjährige Erfahrung und interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Medizinern verschiedenster Fachrichtungen stellen wir Ihnen selbstverständlich auch in den Verfahren vor dem Sozialgericht und in Rechtsmittelverfahren bis zum Bundessozialgericht (BSG) – notfalls auch bis zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – zur Verfügung, um den Ihnen zustehenden Grad der Behinderung und die damit verbundenen Lesitungsansprüche durchzusetzen.
Vertretung im Gleichstellungsverfahren
Sollte bei Ihnen ein GdB von lediglich 30 festgestellt worden sein, beraten und vertreten wir Sie bei einem etwaigen Antrag auf Gleichstellung mit Schwerbehinderten gegenüber der Agentur für Arbeit sowie bei der Durchsetzung von Nachteilsausgleichen.
Beratung und Vertretung bei Verschlechterungs- o. Verlängerungsanträgen
Sollte sich Ihre Situation verändern, stellen wir für Sie Überprüfungs- bzw. Verschlechterungs- oder Verlängerungsanträge. Auch hier vertreten wir Sie natürlich auch im Widerspruchs-, Klage- und Rechtsmittelverfahren, damit Ihnen keine Rechte, Hilfen oder Einsparungsmöglichkeiten vorenthalten bleiben.
Beratung und Vertretung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten
Da sich beim Thema Schwerbehinderung erfahrungsgemäß häufig auch arbeitsrechtliche Fragestellungen ergeben, bieten wir Ihnen auch auf diesem Gebiet unsere anwaltlichen Unterstützung an. Profitieren Sie von den spezialisierten Rechtsanwälten in unserer Kanzlei.
Wir beraten und vertreten Sie daher insbesondere bei folgenden, immer wiederkehrenden Themen kompetent:
- Recht auf einen behinderungsgerechten Arbeitsplatz mit entsprechender Arbeitsplatzgestaltung
- Recht auf Teilzeitarbeit sowie die Ablehnung von Mehrarbeit
- Vorgehen gegen Diskriminierung wegen der Behinderung und ggf. Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen
- Sicherstellung des gesetzlichen Mehrurlaubs
- Anfechtung von unter Umgehung des besonderen Kündigungsschutzes für Behinderte zustande gekommenen unberechtigten Kündigungen (Kündigungsschutzklagen und Verfahren beim Integrationsamt)
- Prüfung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) sowie von Integrationsvereinbarungen
Sprechen Sie uns an
Möchten Sie unsere anwaltliche und fachanwaltliche Beratung/Vertretung bei Fragen und Problemen zum Rehabilitations- und Teilhaberecht in Anspruch nehmen, dann rufen Sie uns zur Vereinbarung eines Termins an – 0345 6846207 (Büro Halle) – 0351 31777310 (Büro Dresden) oder nutzen unsere Online-Anfrage. Wir melden uns kurzfristig bei Ihnen. In einem ersten Telefonat können wir klären, wie bei Ihrem Sachverhalt am besten vorzugehen ist, welche Unterlagen wir benötigen, welche Kosten entstehen und vereinbaren ggf. einen Beratungstermin. Bitte beachten Sie, dass wir in der Regel keine kostenlose telefonische Beratung anbieten. Hinsichtlich der möglichen Kosten informieren Sie sich bitte zuvor auf unserer Seite unter dem Link Kosten & Gebühren oder fragen Sie uns bitte gleich zu Beginn des Gesprächs.