Pflegeversicherungsrecht
Die gesetzliche Pflegeversicherung
Das Recht der gesetzlichen sozialen Pflegeversicherung ist im Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) geregelt. Die 1994 eingeführte Pflegeversicherung bleibt auch nach dem zum 01.01.2013 in Kraft getretenen Pflege-Reform-Gesetz (PRG) sowie den Pflegestärkungsgesetzen (PSG 1-3) reformbedürftig. Die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik wird sich weiter erheblich zu Lasten der Pflegekassen auswirken. Als gesetzlich Pflegeversicherte haben Sie dennoch gegenüber den Trägern der Pflegeversicherung einen gesetzlichen Leistungsanspruch bei Pflegebedürftigkeit.
Im Bereich des Pflegeversicherungsrechts ergeben sich in unserer anwaltlichen Praxis hauptsächlich die klassischen Problemfelder:
Ablehnung eines Pflegegrades oder falscher Pflegegrad (bis 31.12.2016 Pflegestufe)
Nach dem der Antrag für Pflegegeld bei der Pflegekasse eingereicht wurde, findet zunächst ein Einstufungsverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit statt. Pflegebedürftigkeit ist die Hauptvoraussetzung für Leistungen der Pflegekasse. Seit dem In-Kraft-Treten des Pflegestärkungsgesetz 3 zum 1. Januar 2017 ist Pflegebedürftig, wer Hilfe braucht, weil seine Fähigkeiten und Selbstständigkeit infolge gesundheitlicher Probleme beeinträchtigt sind.
Beim Begutachtungstermin in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen erfasst der MDK den Grad der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen und legt diesen – oft sehr subjektiv und mit minimalem Zeitaufwand – einem Gutachten fest. Die Pflegekasse erhält dieses Gutachten und entscheidet, ob eine Einstufung in einen der 5 Pflegegrade erfolgt. Es ergeht dann einen entsprechenden Bescheid, wobei die Entscheidung innerhalb von fünf Wochen nach dem Antrag erfolgen soll.
- Wird ein Pflegegrad abgelehnt oder entspricht dieser nicht den tatsächlichen Einschränkungen der Fähigkeiten und der Selbständigkeit des Pflegebedürftigen, muss gegen den Bescheid der Pflegekassen innerhalb von 4 Wochen Widerspruch erhoben werden. Immer wiederkehrende Fehlerquellen in MDK-Gutachten sind:
- Das MDK-Gutachten gibt nur eine „Momentaufnahme“ wieder. Der MDK-Besuch ist zudem oftmals sehr kurz, selten länger als 30 Minuten. Häufig kann der Pflegebedürftige während dieser Zeit gar nicht in alle 6 notwendigen Prüfmodule (Mobilität, Kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte) in den eigentlich erforderlichen Maß begutachtet werden.
- Viele Pflegebedürftige empfinden den MDK-Besuch als eine Art Prüfung, die es zu bestehen gilt. Entsprechend mobilisieren sie letzte Ressourcen und die eigene Situation wird – unbewusst – besser dargestellt, als sie im Alltag tatsächlich ist.
- Der Pflegebedürftige oder auch Angehörige machen gelegentlich aus Scham falsche Angaben, z. B. zu Inkontinenz. Oftmals wird auch die Wohnung und der Pflegebedürftige für den MDK-Besuch „herausgeputzt“.
- Nebenerkrankungen oder andere Faktoren, die sich limitierend auf die Fähigkeiten und die Selbständigkeit des Pflegebedürftigen auswirken, bleiben oft unberücksichtigt.
Wichtig: Zur Minimierung von Fehlbegutachtungen anlässlich des MDK-Besuches empfehlen wir den Pflegebedürftigen über den Besuch des MDK und dessen Bedeutung vorher aufzuklären. Dem MDK sollte in jedem Fall ein realistisches Bild der (Pflege-)Situation gezeigt werden. Trotz der geänderten Definition der Pflegebedürftigkeit, empfehlen wir auch weiterhin ein Pflegetagebuch zu führen und beim MDK-Besuch vorzulegen. Der MDK kann so erkennen, welche Pflegemaßnahmen tatsächlich zusätzlich z. B. wöchentlich oder monatlich noch anfallen. Zudem sollten die Pflegenden (Angehörige oder Pflegedienst) beim MDK-Besuch anwesend sein, um zusätzliche Angaben zu machen zu können.
Erfahrungsgemäß sind eine Vielzahl der MDK-Gutachten nicht allein aus den o. g. Gründen fehlerhaft, was regelmäßig zu einer Ablehnung eines Pflegegrades oder Einstufung in einen geringeren Pflegegrad führt. Sie sollten daher in diesen Fällen unbedingt die Möglichkeit des Widerspruchs nutzen.
Sollte dem Widerspruch nicht abgeholfen werden, kann eine Klage zum Sozialgericht erhoben werden. Diese ist gerichtskostenfrei.
Sie können in sowohl im Widerspruchs- und Klageverfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. In der Regel sollte immer zumindest das MDK-Gutachten angefordert, auf Fehler geprüft und dann der Widerspruch bzw. die Klage begründet werden. In dem Fall des Obsiegen trägt die Pflegekasse die gesamten Kosten der Vertretung durch einen Rechtsanwalt.
Haftung in der Pflege
Die Frage nach der zivilrechtlichen Haftung (Schadenersatz, Schmerzensgeld) bei Pflegefehlern gewinnt seit einiger Zeit zunehmend an Bedeutung und praktischer Relevanz. Bei Stürzen oder Druckgeschwüren (Dekubitus) werden zunehmend die Pflegeheime und Krankenhäuser mit dem Vorwurf eines Pflegefehlers und der Frage der Haftung konfrontiert.
Für Pflegekräfte
Auch für eine einzelne Pflegekraft besteht nach ständiger Rechtsprechung durchaus das Risiko persönlich auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in Haftung genommen zu werden. Als Pflegekraft kann es daher sehr sinnvoll sein, nicht nur auf die Unterstützung durch den Heim- oder Krankenhausbetreiber oder dessen Anwälte zu vertrauen, sondern zusätzlich selbst einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Nur so sind Ihre arbeitsrechtlichen und haftungsrechtlichen Interessen optimal und unabhängig vertreten.
Für betroffene Pflegebedürftige
Wenn Sie sich als Betroffener oder Angehörige fragen, ob möglicherweise ein Pflegefehler vorliegt und Ihnen oder Ihrem Angehörigen dadurch ein Schaden entstanden ist, ist zunächst überlegtes Handeln angezeigt. Insbesondere, wenn die Pflege in der entsprechenden Einrichtung (Krankenhaus, Heim) noch andauert. Sie sollten versuchen, möglichst viele Fakten zum Sachverhalt zu sammeln und wenn möglich, ein Gedächtnisprotokoll des Geschehens anfertigen. Darüber hinaus sollten Sie Kopien der kompletten Pflegedokumentation verlangen. Darauf besteht ein Anspruch, egal ob Pflegeheim oder Krankenhaus. Wenn Sie für einen pflegebedürftigen Angehörigen handeln, lassen Sie sich bitte entsprechend bevollmächtigen.
Wenn die Pflegedokumentation vorliegt, kann geprüft werden, ob und gegen wen möglicherweise Schadenersatz geltend zu machen ist.
Auf zivil- und strafrechtlichem Gebietmit Bezug zur Pflege, unterstützen Sie spezialisierte Rechtsanwälten unserer Kanzlei insbesondere bei der
- Abwehr/Geltendmachung von finanziellen Schadenersatzansprüchen in Folge von Pflegefehlern,
- Verteidigung im Ermittlungs- und Strafverfahren in Folge von Pflegefehlern oder
- Nebenklagevertretung Geschädigter im Strafverfahren in Folge von Pflegefehlern.
Pflege und Strafrecht
Wenn Sie denken Strafrecht und Pflege hätte wenig Berührungspunkte, irren Sie sich. Die Anknüpfungspunkte sind vielfältiger, als man zunächst denkt. In jedem Fall in dem eine zivilrechtliche Haftung für Pflegefehler im Raum steht, geht es auch immer um die Frage nach strafrechtlicher Verantwortung.
Wegen das Amtsermittlungsgrundsatzes müssen Polizei und Staatsanwaltschaft automatisch Ermittlungen aufnehmen, wenn ihnen der Verdacht einer Straftat bekannt wird. Dabei kann grundsätzlich jeder, also nicht nur der Geschädigte, eine entsprechende Strafanzeige erstatten. Es kommt dann in der Regel zu einem umfangreichen Ermittlungsverfahren, welches kaum aufzuhalten ist und oft eine erhebliche Eigendynamik entwickelt.
Für Pflegekräfte
Wie in Fragen der zivilrechtlichen Haftung, sollten Sie als Mitarbeiter in der Pflege auch hier möglichst frühzeitig Ihre eigenen Interessen wahren, auch wenn Sie sich unschuldig fühlen. Das gilt insbesondere dann, wenn Sie durch Polizei oder Staatsanwaltschaft bereits als Beschuldigte/r betrachtet werden. In Ihrem eigenen Interesse sollten sie nicht versuchen, die Angelegenheit durch ein “offenes Gespräch” mit den Ermittlungsbehörden aus der Welt zu schaffen. Durch unbedachte oder leichtfertige Äußerungen zementieren Sie ggf. nur die gegen Sie gerichteten Verdachtsmomente.
Da nur Rechtsanwälte Einsicht in die vollständigen Ermittlungsakten der Polizei oder Staatsanwaltschaft nehmen können, ist anwaltliche Hilfe in diesen Fällen dringend zu empfehlen, um das Verfahren für Sie möglichst rechtzeitig in die richtige Richtung steuern zu können.
Für betroffene Pflegebedürftige
Wenn Sie als Betroffene/r oder als Angehörige den Verdacht einer Straftat haben, sollte sorgsam erwogen werden, ob eine strafrechtliche Verfolgung der Angelegenheit (Strafanzeige) unter Abwägung aller Faktoren zweckmäßig und sinnvoll ist.
Wenn ein Ermittlungsverfahren bereits läuft, kann Akteneinsicht in die Ermittlungsakten sinnvoll sein. Eine Vertretung als Nebenkläger im Strafverfahren ist ebenfalls zu erwägen, um es Ihnen zu ermöglichen, Interessen optimal und effektiv wahrzunehmen.
Auf zivil- und strafrechtlichem Gebietmit Bezug zur Pflege, unterstützen Sie spezialisierte Rechtsanwälten unserer Kanzlei insbesondere bei der
- Abwehr/Geltendmachung von finanziellen Schadenersatzansprüchen in Folge von Pflegefehlern,
- Verteidigung im Ermittlungs- und Strafverfahren in Folge von Pflegefehlern oder
- Nebenklagevertretung Geschädigter im Strafverfahren in Folge von Pflegefehlern.
Sprechen Sie uns an!
Möchten Sie unsere anwaltliche und fachanwaltliche Beratung/Vertretung bei Fragen und Problemen des Pflegerechts oder der Durchsetzung von Leistungsansprüchen gegen die Pflegekassen in Anspruch nehmen, dann rufen Sie uns an oder nutzen unsere Online-Kontaktmöglichkeit:
Wir melden uns kurzfristig bei Ihnen. In einem ersten Telefonat können wir klären, wie bei Ihrem Sachverhalt am besten vorzugehen ist, welche Unterlagen wir benötigen, welche Kosten entstehen und vereinbaren wenn notwendig einen Beratungstermin. Bitte beachten Sie, dass wir in der Regel keine kostenlose telefonische Erstberatung anbieten.